Als Frau in dem Metier, 1980
Als ich, wie so viele and’re, Jahr um Jahr
vorstellig ward bei manch einem Plattenzar,
sah der mich prüfend an von Bein bis Bauch
und sagte: „Na, kleine Chansonett –
singen wollen Sie…? Ach, wie nett…!
Ja, als Frau in dem Metier
brauchen Sie erst mal Dekolletee.
Und auch das Lieder- Verfassen
schön den Männern überlassen.
Stellen Sie das Denken ein,
zeig’n Se Bein! Zeig’n Se Bein!
Machen Sie mal mehr auf Weib,
zeig’n Se Leib! Zeig’n Se Leib!
Außerdem, mein liebes Häschen,
brauchen Sie ein andres Näschen.
Hüften wiegen, Flair verbreiten!
Lern’Se schreiten! Lern’Se schreiten!
Sie als Frau ham das doch leicht –
schön sein reicht! Schön sein reicht!
Komm’n Se mir nicht mit Talent!!!
Dekadent! Dekadent!
Sind Sie erst mal von außen marktstrategisch programmiert,
dann wird von uns Ihr Inneres neu definiert.
Und dann steuern wir mit uns’ren Presse-Spezis
‘nen Skandal oder ‘ne Sensation,
und – ohne gesung’nen Ton kennt man Sie schon!
Kindchen, Sie sind zu normal,
‘s ist fatal, ‘s ist fatal!
Geb’n Se sich total verrückt,
das entzückt! Das entzückt!
Auf den Partys spät und früh
der Branchen-Society
tun Sie sado-masochistisch,
das wär listig! Das wär listig!
Machen Sie auf nymphoman,
das kommt an! Das kommt an!
Oder auch auf Transvestit –
Mann, das zieht! Mann, das zieht!
Und dann stechen Sie zum Schein
mal auf Ihren Geliebten ein.
Schließlich noch, als dernier cri:
Bigamie! Bigamie!
So basteln wir Ihr Image, dann folgt der Plattenverkauf –
das Wichtigste. Den zieh’n wir nach bewährtem Muster auf.
Dazu kriegen Sie ‘nen Produzenten verpasst,
‘nen cholerischen Dilettanten zwar, doch mit Fortune
und Hit-Erfahrung. Der bestimmt für Sie dann schon, wohin…
Widersprechen Sie ihm nicht!
Das ist Sängerinnen-Pflicht!
Auch wenn er Sie mal verprügelt –
das beflügelt! Das beflügelt!
Karrieren werden über Nacht
flott gemacht! Flott gemacht!“
Ich stand auf und ging zur Tür:
„Aber bitte nicht mit mir!
Denn als Frau und überhaupt
geht’s auch anders als man glaubt!
Man muss sich nicht mehr ergeben
wie ich in meinem vorigen Leben
von Orleans bis Rouen,
wo ich ohne Pardon
auf den Scheiterhaufen musste.
Doch ich wusste, doch ich wusste:
Oh, ich räche meine Schmach
fünf Jahrhunderte danach.
Johanna geht, doch sie kehrt wieder
und singt Lieder! Und singt Lieder!
Ich bleib mir treu, schwör nicht ab,
denn ich hab‘, denn ich hab‘
mein Publikum zum Tribunal –
mich verbrät man nicht noch mal…!