Wolfgang und ich, 1980
Ich bring’ ihn auf die Guillotine!
Hab’ das Versteckspiel satt!
Ich bin Leopoldine,
die Schwester von Mozart.
Ich komponier’ für ihn
Opern und Sinfonien.
Er unterschreibt sie dann,
von Skrupeln frei, mit „Wolfgang“
Wolfgang und ich –
ist das nicht ärgerlich?
Er wird als Wunderkind begrüßt,
gar von der Kaiserin geküsst!
Ich und Wolfgang!
Er mimt den feinen Buben,
und ich hock’ in der Stuben,
schreib’ den „Figaro“!
Heute kennt man unter s e i n e m Namen
mein Werk in aller Welt.
Er spielt den Don Juan mit seinen Damen,
I c h schrieb ihn, wie bestellt.
Mein Komponistinnenherz,
das schlägt nach Noten,
dieweil das Seine sich nur rührt,
wenn er Demoisellen verführt…
Wolfgang und ich –
ist das geschwisterlich?
Er reist ohne mich nach Berlin,
Rom, Leipzig, Prag und Wien.
Ich und Wolfgang –
das hat mich tief geknickt:
er hat mir nicht mal ein „Danke“
für den „Türkenmarsch“ geschickt!
Alles was ich schrieb und schreibe,
wär’ irgendwo verstaubt –
denn wer hätt’ je einem schwachen Weibe
solches Genie geglaubt !?
Muss ich noch dankbar sein
ein Bruderherz zu haben,
das mein Werk ungeniert
repräsentiert…?
Wolfgang und ich –
nicht mal Karajan kannte mich…
Und wenn ich Mozartkugeln seh’
brauch’ ich Beruhigungstee…!
Für m i c h schreib’ ich jetzt!
Schluss mit dem Applaus
für ihn! Denn seit ich „EMMA“ lese,
ist es aus…!
Zum Komponier’n ein Weibchen
hielt Wolfgang Amadeus sich.
Doch dieses sanfte Täubchen
flog aus in’s Rampenlicht!